Bremsausgleich - adaptives Bremsen: Der Zusammenhang

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Bremsausgleich und adaptives Bremsen (ABP)

Zweck und Hintergründe zum Adaptiven Bremsen

Im TC-Forum hat TC-Consultant Michael Mertner die Zusammenhänge sehr ausführlich erläutert:

Adaptives Bremsen und Bremsausgleich sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Das eine baut auf dem anderen auf, mehr nicht.

Der Bremsausgleich wird grundsätzlich IMMER genutzt. Egal, ob man adaptiv bremst oder nicht.

Ich kann jedem Anwender nur empfehlen, sich bei der Einstellung des Bremsausgleichs ein wenig Mühe zu geben und nicht "über den Daumen" irgendwelche Werte einzutragen, die möglicherweise passen oder nicht.

Kurz und knapp: Der Bremsausgleich stellt einen Verhältnis-Wert dar, der angibt, wie "gut" die Lok beim Bremsen auf die Fahrstufenverringerung reagiert. Durch Decoder-Einstellungen gibt es immer einen kleinen Versatz, nennen wir es einfach mal Masse-Trägheit. Der Bremsausgleich kompensiert diese Trägheit, er steuert sozusagen den Bremsdruck.


Bremsausgleich

Nehmen wir einen Block mit einer Bremsrampe von einem Meter und einer verschobenen Haltemarkierung mit einer Distanz von diesem einen Meter. Das ist ein klassisches Beispiel für das Bremsen und Anhalten mit einem einzigen Rückmelder im Block.

Abb: Bremsausgleich


Die Lok kommt nun mit 80 km/h angeschüsselt und fängt an zu bremsen. Nach 1,20 Meter kommt sie zum Stehen. Um dies zu kompensieren, erhöht man nun den "Bremsdruck" - also den Wert des Bremsausgleichs um einige Einheiten und lässt die Lok unter den gleichen Bedingungen wieder in diesen Block einfahren.

Das macht man so lange, bis sie bei GENAU einem Meter zum Stehen kommt. So ermittelt man zunächst einen korrekten Wert des Bremsausgleichs.


Adaptive BremsProzedur (ABP)

Und genau an dieser Stelle kommt die Entscheidung zur Adaptiven BremsProzedur (ABP) zum Tragen. Wenn man es richtig macht, lässt man die Lok nun mit 120 km/h in den Block einfahren. Bei einem sorgfältig eingemessenen Geschwindigkeitsprofil, einem guten Digitalsystem und gleichbleibenden Außenbedingungen (Temperatur, Schienenzustand, Stromstärke, Kaffeevorrat etc.) sollte die Lok auch bei der höheren Geschwindigkeit nach genau einem Meter zum Stehen kommen. Sie bremst nun stärker ab.

Wahrscheinlich trifft sie den Meter aber nicht genau. Fährt sie zu weit, erhöht man den Bremsausgleich ein wenig. Dann hält sie zwar auch bei 80 km/h etwas früher, aber ein größeres Stück früher bei 120 km/h. Je höher die Geschwindigkeit, desto höher ist in der Regel auch die Auswirkung des Wertes im Bremsausgleich.

Das nennt man dann die Ermittlung des Mittelwertes, also eines akzeptablen Verhaltens bei beiden Geschwindigkeiten. Bekommt man das auf Teufel komm raus nicht hin, kann man nun versuchen, über die Decoder-Einstellungen (Bremsverzögerung, evtl. Geschwindigkeitstabelle) das Verhalten zu verbessern.

Nicht vergessen: Beim Fummeln an den Geschwindigkeitsparametern im Decoder muss komplett neu eingemessen werden. Beim Ändern der Bremsverzögerung nicht. In diesem Fall muss lediglich der Bremsausgleich neu justiert werden.

Jetzt setzt man noch einen drauf und verlängert die Bremsrampe und Distanz von einem Meter auf 1,50 Meter oder gar zwei Meter und lässt sie wieder mit 80 km/h und dann mit 120 km/h in den Block einfahren. Sie sollte nun bei beiden Geschwindigkeiten nach genau zwei Metern zum Stehen kommen.

Wohlgemerkt, OHNE dass man zwischenzeitlich den Wert des Bremsausgleichs anpasst. Im Idealfall hält die Lok mit dem gleichen Wert im Bremsausgleich also in allen vier Situationen am vorgegebenen Haltepunkt.

Ich sag's mal gleich vorweg: Das wird eine Herausforderung. Ich habe mir mal die Mühe gemacht, eine Lok so einzustellen, dass sie aus unterschiedlichen Geschwindigkeiten mit unterschiedlichen Rampen und Distanzen immer am korrekten Punkt anhält.

  • Fazit: Meine Restlebenszeit reicht nicht aus, um alle Loks so einzustellen.


Kompromiss

Jetzt hat man die Wahl: Entweder man geht Kompromisse ein und nimmt kleine Ungenauigkeiten im Kauf, wobei "klein" von jedem selbst zu definieren ist....

  • oder man stellt in ALLEN Blöcken die gleichen Parameter für Distanz und Bremsrampe ein - was oftmals nicht geht...
  • oder man nutzt reale Haltmelder, also einen "echten" Rückmelder zum Anhalten...
  • oder - jetzt kommt's - man nutzt das adaptive Bremsen (ABP). Hier werden die Loks mit den Werten des - hoffentlich sorgfältig ermittelten - Bremsausgleichs zum Stehen gebracht.

Adaptives Bremsen baut also demzufolge auf den Bremsausgleich auf. Bei einem nicht / schlecht / falsch eingestelltem Bremsausgleich geht auch das adaptive Bremsen in die Hose.

Vielleicht noch so am Rande: Ganz selten ist der Wert des Bremsausgleichs Null. Das würde bedeuten, dass die Lok tatsächlich GENAU in dem Moment, in dem Fahrstufe Null gesendet wird, auch steht. Das passiert nur ganz selten. Sauschnelle Systeme haben hier gerne einstellige Werte stehen, was schon respektabel ist. Standardsysteme einen zweistelligen Wert von 10-30. Mehr ist schon wieder merkwürdig, passiert aber, wenn z.B. die Bremsverzögerung im Decoder relativ hoch einstellt ist.

Das ist übrigens keine Bewertung von Digitalsystemen, sondern nur eine Eigenschaft. Das ist ganz wichtig. Kleinere Werte sind nicht "besser" als hohe.

Genau aus diesem Grund gibt's auch keine negativen Werte beim Bremsausgleich. Das würde nämlich bedeuten, dass der Lokführer zusätzlich ein "Glaskugel-Instrument" im Fahrerstand hat, die Lok würde dann nämlich anhalten, BEVOR Fahrstufe Null gesendet wurde.

Loks fahren beim Ermitteln des Bremsausgleichs zunächst IMMER zu weit, niemals halten sie vor der Distanz. Machen sie es doch, dann stimmt das Geschwindigkeitsprofil nicht.


Wirkungsweise von ABP

Herr Freiwald gibt in diesem Beitrag ausführliche Hintergrundinformationen zur Wirkungsweise von ABP:

ABP verbessert die Genauigkeit von berechneten Haltepunkten. Mit ABP wird ein Zug, der in einem Block halten soll, mit individuellen Werten für Geschwindigkeiten und Bremsrampen verlangsamt. Diese Werte werden individuell an den Zug angepasst und damit ein möglichst genaues Anhalten an der gewünschten Position erzielt.

Bei einer Lok mit optimal eingestelltem Bremsausgleich werden Sie kaum eine Wirkung von ABP feststellen.

Bei einer Lok mit eher schlecht eingestelltem Bremsausgleich wird man den Effekt von ABP ziemlich deutlich wahrnehmen. Die Lok verringert spürbar ihre Geschwindigkeit vor einem Block mit Zughalt. Dafür wird aber auch die Anhaltegenauigkeit in der Regel deutlich verbessert.

Faustregel: Je deutlicher die Wirkung von ABP spürbar ist, desto schlechter ist der Bremsausgleich eingestellt.


Lok nicht richtig eingemessen

Herr Freiwald gibt in diesem Forenbeitrag dazu noch einen Hinweis:

Wenn ABP zu deutlich verändertem Fahrverhalten vor der Einfahrt in einen Block führt, so stimmen entweder die Einstellungen in dem Block nicht oder die betreffende Lok wurde nicht richtig eingemessen (Stichwort Bremsausgleich).

ABP liefert in diesem Fall also indirekt eine Warnung hierüber. Die Abschaltung von ABP beseitigt nicht die Ursache, sondern nur Symptome des Problems.


Realer Haltemelder

Frage 1: Wird dann in einem Block, der zwar einen realen Haltemelder aber eine verschobene Bremsmarkierung hat, der Bremsausgleich einer Lok wirksam, auch wenn es vielleicht nicht optimal ist?

Antwort 1: Wie beschrieben ist der Bremsausgleich IMMER aktiv! Nicht optimal eingestellt ist Mist. Man kann den Bremsausgleich als wichtigsten Parameter im Lokprofil ansehen.


Bremsen ohne ABP

Frage 2: Wird der Bremsausgleich auch irgendwie wirksam, wenn das adaptive Bremsen abgeschaltet ist?

Antwort 2: Ja, der Bremsausgleich ist IMMER aktiv. Das adaptive Bremsen entscheidet, wie damit umgegangen wird.


Einfahrt mit 80 km/h

(aus dem gleichen Thread im TC-Forum, die Antwort stammt ebenfalls von Michael Mertner):

In einige Blöcke fahre ich mit 50 bzw. 60 km/h, in die Bahnhofsblöcke mit 80 km/h und in den "schnellsten" Blöcken sind 200 km/h erlaubt. Die Blöcke mit 50, 60 und 80 km/h haben nur einen Melder, in den übrigen sind reale Haltemelder vorhanden. Soll ich nun für den Bremsausgleich eine mittlere Geschwindigkeit von 125 km/h nehmen oder mich besser mit 65 km/h (bei 35 cm Rampe) auf die Blöcke mit verschobener Haltemarkierung konzentrieren?

Antwort: Fange einfach damit an, dass du die Lok mit 80 km/h in den Block einfahren lässt und schau dann einfach, wie sie sie anhält.


Zu starkes Bremsen

Meine persönliche Meinung hier ist aber unabhängig davon, dass ein Abbremsen von 65 km/h auf Null innerhalb von 35 cm ganz schön sportlich ist. Das wäre beim Vorbild ein Bremsweg von rund 30 Metern, also noch nicht mal zwei Loklängen.

Aus 65 km/h schafft das kein Schienenfahrzeug. Nicht mal annähernd. Selbst bei einer starken Verzögerung von 2,6 m/s² hätten wir immer noch einen Bremsweg von 50 Metern. Da bleibt aber kaum einer stehen und ein Zug mit einigen dutzend Tonnen Gewicht schafft das aufgrund der Physik keinesfalls.

Das gilt natürlich nicht für die Modellbahn. Hier sind irrwitzige Verzögerungswerte von 25 m/s² kein Problem, auch wenn alle Fahrgäste danach nur noch Marmelade wären.

  • Stellt euch einfach mal vor, ein "echter" ICE würde:
  • von 80 km/h auf 0
  • einen Bremsweg von 9 Metern hinlegen.

Das sind ca. 25 m/s² oder umgerechnet etwas über der 2,5fachen der Erdbeschleunigung (g). Hört sich nicht viel an, aber trotzdem gehe ich in den Zug auf keinen Fall rein...

Eine Modellbahn schafft das aber... Da bleiben Lok teilweise nach weniger als einem Zentimeter aus ordentlicher Geschwindigkeit stehen.

Wenn überhaupt, dann sollte man das nur in verdeckten Bereichen so machen.

Gut, sei es drum. Ist ja nur meine Meinung...


Normales Bremsen

Also, die Lok fährt zunächst mit 50 km/h in den Block und der Bremsausgleich ist dann so einzustellen, dass sie nach 35cm steht.

Anschließend lässt du die Lok mit 60 km/h in den Block einfahren. Fährt sie ein Stück weiter, dann den Bremsausgleich um ein bis zwei Punkte erhöhen. Der Unterschied sollte sowieso nicht allzu groß sein. Wenn sie jetzt bremst, steht sie vielleicht bei 60 km/h einen Zentimeter und bei 50 km/h einen halben Zentimeter früher. Hier gibt es nun mal überhaupt keine allgemeingültigen Werte. Das ist höchst individuell bei jedem Fahrzeug unterschiedlich.

Dann das ganze nochmals bei 80 km/h. Genauso verfahren; hält sie zu früh, dann den Bremsausgleich verringern und schauen, wie sie bei 50 bzw. 60 km/h bremst. Im Idealfall bekommt man das so hin, dass sie aus allen drei Geschwindigkeiten am selben Punkt zum Stehen kommt. Jetzt kommen wieder die obigen Punkte zum Tragen:

  • Kleine Unschärfen in Kauf nehmen oder
  • Decoderparameter anpassen oder
  • Adaptives Bremsen verwenden.


Adaptives Bremsen

Beim Adaptiven Bremsen ermittelt man den Bremsausgleich im obigen Fall bei 50 km/h, also der langsamsten Geschwindigkeit. Der sollte dann aber auch passen.

Fährt die Lok nun im adaptiven Bremsmodus, so wird sie irgendwann im Vorblock auf diese 50 km/h abgebremst. Es ist mit Absicht NICHT dokumentiert, WO die Lok abbremst. Das kann an der Bremsmarke des Vorblocks sein, muss aber nicht.

Jedenfalls ist beim adaptiven Bremsen sichergestellt, dass die Lok mit dem Bremsausgleich, der ALS LETZTES verwendet wurde, abgebremst wird. Vorteil ist, dass die Lok mit bekannten Parametern bremst. Nachteil ist, dass sie etwas früher die Geschwindigkeit verringert. Würde ich nur bei wirklich widerwilligen Fahrzeugen machen ;-). Andererseits gibt's aber im Forum nun so gut wie überhaupt keinen Hinweis mehr, dass die Lok trotz adaptivem Bremsen falsch anhält. Schon bemerkenswert, oder? Der Ansatz des Entwicklers ist hier erkennbar und fruchtet ;-)

Wie man es nun umsetzt, liegt am Geschmack des Anwenders. Der eine möchte dynamisch und flexibel bremsen, dem anderen ist es wurscht, Hauptsache die Kisten stehen am Ende am richtigen Punkt. Ersteres ist mit Aufwand verbunden, das zweite liefert ein schnelles Ergebnis. Das muss jeder für sich entscheiden.


Weblinks


--Digi thomas2003 (Diskussion) 09:42, 14. Okt. 2020 (CEST)
bearbeitet: Uslex (Diskussion) 10:30, 14. Mai 2022 (CEST)